New Space – die Idee der Weltraumwirtschaft: Die meisten werden jetzt wohl an Sterne, die Raumfahrt oder an Filmreihen wie Star Wars denken. Die Weltraumwirtschaft ist jedoch längst kein abstraktes Science-Fiction-Konzept mehr, sondern viel mehr ein stark wachsender Wirtschaftssektor mit dem Potenzial, ganze Industrien und Gesellschaften rund um den Globus grundlegend zu verändern. Doch was versteht man eigentlich genau unter der Weltraumwirtschaft? Laut der OECD umfasst die Weltraumwirtschaft all diejenigen Aktivitäten, welche darauf abzielen, durch Erforschung, Verwaltung und Nutzung des Weltraums, Wertschöpfung für die Menschheit auf der Erde zu generieren (Quelle: OECD:
What is the Space Economy?). Darunter fallen neben Infrastrukturanlagen für flächendeckende und resiliente Kommunikations- und Datenübertragungsmöglichkeiten auch satellitenbasierte Frühwarn- und Überwachungssysteme, orbitale Verteidigungsanlagen oder auch der Rohstoffabbau auf Himmelskörpern. Als Bindeglied zwischen dem Weltraum und der Erde wird zudem auch die Luft- und Raumfahrtindustrie eine zentrale Rolle in der Weltraumwirtschaft einnehmen (Quelle:
WEF_Space_2024.pdf). Liefern wird uns die Weltraumwirtschaft aber vor allem zwei Dinge: Wertvolle Daten in großen Mengen und eine nie zuvor dagewesene Konnektivität – und da gerade diese zwei Dinge gefragter denn je sind, könnte das Thema Space weiterhin ein attraktiver Wirtschaftszweig bleiben (Quelle:
Raumfahrt: Zukunftsmarkt Weltraum | BDI).
Nach 630 Milliarden US-Dollar für das Jahr 2023 rechnet das
Weltwirtschafts-Forum in einer gemeinsamen Studie mit McKinsey für 2035 bereits mit einem Umsatz von 1,8 Billionen US-Dollar. Dies entspricht einem jährlichen Wachstumspotenzial von 9 %. Zum Vergleich: das jährliche globale BIP-Wachstum bis 2035 wird auf 5 % geschätzt. Dies beinhaltet sowohl das Wachstum der Infrastruktur wie Satelliten und Raketenstartanlagen, als auch der "Reichweitenanwendungen" – einschließlich der Verbindungsdienste zwischen Satelliten und Smartphones, die für Unternehmen wie Uber beispielsweise von entscheidender Bedeutung sind (Quelle:
WEF_Space_2024.pdf). So ist beispielsweise die Zahl der jährlich gestarteten Satelliten in den letzten Jahren um 50 % gestiegen. Zudem gibt es eine interessante Bandbreite an Bereichen, die von der Raumfahrttechnologie profitieren könnten (Quelle:
Starlink & Co.: Anzahl der Satelliten im Erdorbit steigt immer schneller | heise online).
Lieferketten und Transport
Die Anwendungsbereiche weltraumbasierter Technologien sind äußerst vielfältig. Durch satellitengestützte PNT-Technologie (Positionierung, Navigation und Timing) lassen sich Lieferkettensysteme gezielt optimieren. Über Echtzeitdaten können Lieferrouten an akute Wetterextreme oder andere Gegebenheiten angepasst werden, sodass Risiken für Güter und Personal sowie Lieferverzögerungen minimiert werden. Selbstfahrende Autos, Personalbeförderer wie Uber oder auch Notfalldienste – sie alle sind auf PNT-Daten angewiesen. Mit gut 400 Milliarden US-Dollar wird auf die Logistik- und Transportindustrie bis 2035 rund ein Viertel des Umsatzes der gesamten Weltraumwirtschaft entfallen, was einem jährlichen Wachstum von 14 % entspricht (Quelle: WEF_Space_2024.pdf).
Lebensmittel und Landwirtschaft
Überdurchschnittliches Wachstum innerhalb der Weltraumwirtschaft verspricht man sich auch von der Lebensmittel- und Landwirtschaftsindustrie. Kritische Ressourcen wie Trinkwasserreserven, nährstoffreiche Böden oder auch seltene Rohstoffe können durch Erdoberflächenüberwachung gezielt lokalisiert werden. PNT-Technologie wird wiederum bei zeitkritischen Lebensmittellieferungen von verderblichen Gütern eine zentrale Rolle einnehmen. Für den gesamten Sektor ist bis 2035 ein jährliches Wachstum der Umsätze von 11 % zu erwarten (Quelle: WEF_Space_2024.pdf).
Sicherheit
Lange war es still um die Verteidigungsindustrie – seit dem Ausbruch des Ukrainekrieges erfreut sich der Sektor jedoch wieder stark erhöhter Aufmerksamkeit. Das Unternehmen Maxar Technologies war es, welches detaillierte Satellitenbilder zu den Geschehnissen im Kampfgebiet lieferte (Quelle: CNN). Diese Aufnahmen sind aus strategischen Gründen von eminenter Bedeutung, da sie wertvolle Erkenntnisse über Infrastruktur, Truppen- und Materialverschiebungen oder auch Raketenstarts eines Gegners liefern können. Genauso können diese Satelliten zur Grenzüberwachung und somit im Kampf gegen Menschenhandel und Kriminalität eingesetzt werden. Zudem werden Militärsatelliten gezielt zum Aufbau eines sicheren und resilienten Kommunikationsnetzwerks verwendet. In Kombination mit satellitenbasierten Frühwarnsystemen lassen sich so außerdem Naturkatastrophen präziser voraussagen und Reaktionszeiten verkürzen (Quelle: WEF_Space_2024.pdf).
Internet und Kommunikation
Und zu guter Letzt ist gerade an entlegenen Orten der Welt satellitenbasiertes Internet und Kommunikation oft die einzige Möglichkeit, Teil des globalen Wirtschaftsgeschehens zu werden. Menschen haben dadurch von überall aus Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und digitalen Handelsplattformen. Gerade diese Vernetztheit dürfte maßgeblich zur Bekämpfung wirtschaftlicher, sozialer und geospezifischer Ungleichheiten und somit zur Verbreitung von Wohlstand und Entwicklung beitragen (Quelle: WEF_Space_2024.pdf).
Abbildung 1
Ein weiterer Faktor, der für die Weltraumwirtschaft spricht, ist das derzeit günstige Investmentumfeld. Die Kosten für Raketenstarts sind in den vergangenen 20 Jahren um 90 % gesunken. Technologische Fortschritte wie automatisierte Robotertechnik oder leistungsstärkere Analysesoftware ermöglichen neuartige Geschäftsmodelle, die früher aufgrund hoher Kosten nicht in Frage kamen (Quellen: Raumfahrt: Zukunftsmarkt Weltraum | BDI, Investing.com). Es handelt sich also keineswegs um Zufall, dass die Weltraumwirtschaft in den vergangenen Jahren sowohl von privaten Unternehmen als auch von ganzen Staaten immer mehr Aufmerksamkeit genießt. Befeuert wird die Euphorie zusätzlich von politischen Größen wie dem erneut gewählten Donald Trump und seinen Verbündeten Elon Musk und Jeff Bezos. Diese Euphorie spiegelt sich auch in der seit 2019 rasant angestiegenen Anzahl ins All beförderter Objekte: Während im Jahr 2019 weltweit gut 500 Objekte den Weg ins All gefunden haben, waren es 2023 bereits über 2600 (Quelle: United Nations: Search OSOidx).
Abbildung 2
Dass der Weltraumwirtschaft großes Potenzial zugerechnet wird, zeigt sich auch in der Entwicklung des Global Space Industry ESG Index (MVSPC). Während der MSCI World in den vergangenen 12 Monaten um 18 % zulegen konnte, glänzte der Global Space Industry ESG Index mit einem Plus von fast 75 %. Bewertungstechnisch liegt das Kurs-Umsatz-Verhältnis mit 1,54 (per Q4 2024) unter dem des MSCI World NTR (2,3) und erscheint somit moderat bewertet. Aber: einige Unternehmen im Bereich New Space befinden sich in frühen Entwicklungsphasen und sind auf Investitionen angewiesen, um ihre Technologien und Geschäftsmodelle zu etablieren und können noch keine stabilen Umsätze oder Gewinne vorweisen. Daher sind Bewertungskennzahlen generell mit Vorsicht zu genießen (Quelle: Bloomberg, BNP Paribas Wealth Management).
Abbildung 3
Raumfahrt dürfte mehr als nur ein kurzlebiger Hype sein. Der Sektor wächst rasant, angetrieben durch technologische Fortschritte, sinkende Kosten für Raketenstarts und steigende private Investitionen. Allerdings sollten Anleger auch die Gefahren nicht unterschätzen. Technologischer Fortschritt lebt von Rückschlägen und die gilt es mit einzukalkulieren. Regulatorische Unsicherheiten und mögliche terrestrische Alternativen könnten den Fortschritt bremsen. Je mehr der Weltraum genutzt wird, desto relevanter werden auch Themen wie Cybersicherheit und Kollisionsmanagement von im All stationierten Anlagen.
Um das Risiko von Fehlschlägen einzelner Unternehmen zu minimieren, bietet ein ETF oder ein Fonds eine diversifizierte Möglichkeit, an diesem jungen Trend zu partizipieren. Auch hier bietet sich ein schrittweiser Aufbau von Positionen (das sogenannte Cost Averaging) in Form eines Sparplans für Anleger an, um Kursschwankungen abzufedern.